ICON MAGAZINE, DIE WELT, GERMANY

2016

ICON MAGAZINE, DIE WELT, GERMANY

FRISCHE ROBEN

Die deutsche Fotografin Cathleen Naundorf eroberte erst die Welt und dann die Mode. Mit einer klassischen Plattenkamera fotografiert sie Szenenbilder mit Couture, die vergleichbar konzeptionell sind wie die stofflichen Kunstwerke selbst. Für ICON entwarf sie eine surreale Bühne, die die Energie der Vergangenheit für die Zukunft nutzt

Sie ist vieles nur keine Modefotografin. Cathleen Naundorf, Renaissance-Mensch mit Kamera beschreibt sie wohlmöglich besser. Schon mit zwölf Jahren, damals noch im sachsen-anhaltischen Weißenfels, hatte sie ihr erstes Atelier und eine eigene Ausstellung – damals noch als sehr junge Malerin. Ein Kind, das im Zaubertrank Kultur gebadet hatte: „Ich bin sehr literarisch und musisch aufgewachsen. Piano, Orgel, Literatur, das war alles Teil meiner Welt.“

Eine Welt, die dann doch nicht groß genug war. Cathleen Naundorf machte sich auf und begann ihre Fotografen-Karriere auf Reisen. Sie verbringt viel Zeit mit indigenen Bevölkerungsgruppen im Amazonasgebiet, in der Mongolei in Malaysia und Thailand. Die Fotos, die sie von dort mitbringt, werden zu Büchern verarbeitet.

Anfang der 90er-Jahre wird sie „sesshafter“ und lässt sich in Paris nieder. Ihr Freund und Mentor Horst P. Horst, einer der berühmtesten Fotografen des 20. Jahrhunderts, schlägt ihr vor, es doch auch einmal mit der Modefotografie zu versuchen, aber die Globetrotterin ist skeptisch: „Zu viele durchgeknallte Leute.“

Das ändert sich schlagartig, als sie zufällig den inzwischen verstorbenen, legendären Kunststicker der Haute Couture, François Lesage, kennenlernt. Plötzlich eröffnet sich der jungen Fotografin eine neue Welt. Sie erkennt, dass die Arbeit dort „nichts mit Mode zu tun hat, wie wir sie verstehen“. In Lesages Atelier wird dem Handwerk und der Kunst gefrönt, und Hohepriester der Mode wie „Yves“, John Galliano, Jean-Paul Gaultier oder Karl Lagerfeld gehen dort ein und aus. Über zwei Jahre begleitet Cathleen Naundorf François Lesage bei seiner Arbeit und stellt fest, dass es dort sogar Parallelen zu ihrem alten Leben gibt. Ethnische Einflüsse erleben in der Couture damals einen Widerhall: „Es war eine multikulturelle und farbenfrohe Zeit“, erinnert sich Naundorf.

Bald darauf hat das Sujet sie im Griff. Die Hasselblad tauscht sie gegen eine schwere Chambre-Kamera ein, die in Action auf dem Stativ stehen muss. Auch heute fotografiert sie mit Plattenkameras – mit einer Plaubel oder einer Deardorff aus Holz, die sich zusammenfalten lässt und immer noch nach demselben Prinzip funktioniert wie die Vorgängermodelle aus dem 19. Jahrhundert.

Mit derlei statischem Werkzeug muss das perfekte Foto präzise geplant und inszeniert werden. Naundorf entwirft dafür filmografisch anmutende Kulissen, in denen sie die prachtvollen Roben inszeniert. Galliano gibt ihr im Jahr 2003 als Erster eine Chance, darauf folgt Jean-Paul Gaultier, dem sie „zitternd“ drei Polaroids vorlegt und der sie daraufhin ebenfalls bucht. Der Bann ist gebrochen und die französischen und italienischen Couture-Häuser klopfen bei ihr an. Gerade arbeitet sie an einem Buch für das Haus Chanel.

Auch in der ICON- Strecke „Future Couture“ verschmelzen Lagen von Bedeutung zu komplexen Arrangements. Der handgemalte Hintergrund mit Fenster und Wolken erinnern an die Arbeiten des belgischen Dadaisten und Surrealisten René Magritte, das Schachbrettmuster am Boden ist ein Klassiker und zieht sich durch alle Epochen der Kunstgeschichte. Naundorf, die am liebsten stets mit denselben Models arbeitet, hat auch in dieser Strecke unter anderem „die Zwillinge“ vor die Kamera geholt – auf dem Schachbrettmuster repräsentieren sie gewissermaßen die Verdoppelung der Verdoppelung. Es ist auch eine versteckte Hommage an Berlin, laut Naundorf „eine Stadt der Zukunft, die dennoch schon alles erlebt hat“ und in der immer noch Platz sei für surreale Eindrücke wie zum Beispiel eine „einsame, verwilderte Birke auf der Karl-Marx-Allee oder die Waschmaschine von der Merkel im Regierungsviertel“.

Die gezeigten Roben, alle von Naundorf persönlich ausgewählt, sind für die Fotografin wie ein Blick nach vorn, ein Hoffnungsschimmer, dass nach eher kommerziellen und vergleichsweise nüchternen Jahren der Spaß und die Exzentrik in die Haute Couture wieder zurückkehrt. Eine neue Generation trete an, nicht alles orientiere sich mehr am Tragbaren, sondern auch wieder am künstlerisch Machbaren. Die ICON-Strecke käme einer freundlichen Aufforderung gleich. „Future Couture, allez“, sagt Cathleen Naundorf und lacht. Oder auch: Vorwärts mit frischen, elaborierten Ideen! Die Starregisseurin der Haute Couture wird dafür sicher den passenden Rahmen finden. hblü

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